Therapeuten mit Palette – oder was ist Psychosoziale Kunsttherapie?

von Marcus Woggesin – 14. November 2023

"Psychologie und Kunst – diese beiden können als der Vater und die Mutter der Kunsttherapie bezeichnet werden. Meine eigene Meinung ist, dass die Künste an erster Stelle eine kognitive Funktion, d.h. erkennende Aufgabe erfül-len. Indem Kunst zeigt, was sie für den Geist kranker Menschen tun kann, erinnert sie uns daran, wozu sie für jeden von uns da ist. "

Diese Aussage des deutsch-amerikanischen Kunstpsychologen Rudolf Arnheim beantwortet die Frage „Was ist Kunsttherapie?“ Die Kunsttherapie hat sich bereits seit vielen Jahren im Klinik- und Pädagogikbereich als eigenständige Profession bewährt. Mit der Kunsttherapie hat sich die Kunst ein weiteres Mal in ihrer Beziehung zur Gesellschaft definiert.

Bereits 1929 begann die anthroposophische orientierte Ärztin Dr. Margarethe Hauschka mit der künstlerisch-therapeutischen Weiterbildung von Krankenschwestern. Kreative Medien halfen Klienten und Patienten bei ihrer Ausdrucksmöglichkeit und Ausdrucksgestaltung. Sie trugen zur Klärung psychischer Prozesse und zur Persönlichkeitsentwicklung bzw. Persönlichkeitsstärkung bei.

Edith Kramer, eine der ersten bedeutenden Kunsttherapeutinnen, die maßgeblich zur Etablierung der psycho-analytisch orientierten Kunsttherapie beitrug, beschrieb die Rolle des Kunsttherapeuten mit den Worten: „...ein Kunsttherapeut sein aber bedeutet, daß Kunst wirklich als Therapie verwendet wird. (…) Es scheint mir der einzige Grund, warum man ein Kunsttherapeut werden würde, dass man etwas anzubieten hat, das speziell ist, das nur die Künste geben können. Andernfalls könnten sie auch ein Psychotherapeut werden.“ (Kramer McMahan, 1989, pp. 107-108)

Das Konzept der Psychosozialen Kunsttherapie basiert auf einer interdisziplinären und integrativen Verbindung von Kunst, Psychologie und verschiedenen therapeutischen Verfahren und Methoden. Die Kunst steht in ihrer sinnstiftenden, sozialen und kurativen Vielfalt im Mittelpunkt dieses Prozesses. Malerei, Bildhauerei und das Modellieren mit Ton, das therapeutische Lesen und das Schreiben sind die Techniken, die jeder angehende Psychosoziale Kunsttherapeut erlernt. Wichtige Lehrinhalte sind Kunst, Ästhetik, Psychologie, Psychopathologie und Diagnostik, Materialkunde, Kunstgeschichte sowie Menschenkunde. Die vierjährigen Aus- bzw. berufsbegleitenden Weiterbildungen finden überwiegend berufsbegleitend statt und enden mit einer Diplomurkunde oder Bachelor. Für die Ausübung der Psychosozialen Kunsttherapie ist die Bestätigung der fachlichen Qualifikation durch den Berufsverband notwendig.

Das Diplom Psychosozialer Kunsttherapeut (IFKTP) wird nur aufgrund ausreichender Ausbildungs-, Kenntnis- und Praxisnachweise erteilt. Die späteren Betätigungsfelder sind vielseitig. Mögliche Arbeitgeber für Absolventen sind Kliniken. Die Therapeuten sind aber auch in Senioren- und Pflegeheimen, Familienberatungsstellen, Kinder- und Jugendtherapieeinrichtungen, Selbsthilfegruppen, Kreativ- und Kunstschulen, Kindergärten und Schulen, psychologischen Beratungsstellen und Behindertenwohnheimen beschäftigt oder in eigener Praxis tätig. Je nach Einsatzort stellt sie eine eigenständige Therapie dar oder sie ergänzt und erweitert die Behandlung mit anderen Heilverfahren.

Im Gegensatz zur Ergotherapie, die auch kreative Medien zur Beschäftigung und Rehabilitation motorischer Fähigkeiten der Patienten nutzt, mobilisiert die Psychosoziale Kunsttherapie innere Kräfte und führt so zu einem somatischen und psychischen Gleichgewicht.

Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass sich z. B. der Malstil auf die Körperfunktionen auswirken kann. Auch diese Tatsache macht sich die Psychosoziale Kunsttherapie zu Nutze, um Patienten je nach Bedürfnis seelische oder körperliche Konzentration, Entlastung oder Heilung zu ermöglichen. Die Erlebnisse beim
künstlerischen Tun führen dazu, dass die gewonnenen Einsichten in anderen Lebensbereichen weiterhin anwendet werden.